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Deindustrialization and the Politics of Our Time (DePOT)
Das DBM/montan.dok beteiligt sich an einem internationalen Forschungs- und Ausstellungsprojekt unter dem Titel „Deindustrialization and the Politics of our Time“ (DePOT). Angestoßen von Historikern der Concordia University, Montreal, Kanada, widmet sich das Projekt den historischen Prozessen und Langzeitfolgen industriellen Wandels. Ausgangspunkt ist dabei die zunehmende politische Polarisierung in Europa und Nordamerika. In diesem Zusammenhang sind es häufig gerade vom Strukturwandel betroffene frühere Industrieregionen, denen eine besondere Affinität zu populistischen Botschaften zugeschrieben wird: seien es die Wähler Donald Trumps im amerikanischen Rust Belt oder die Befürworter des Brexit in den entindustrialisierten Kohle- und Stahlregionen in Großbritannien.

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, solchen Zuschreibungen in vergleichender Perspektive eine größere historische Tiefenschärfe zu geben und die Komplexität des gesellschaftlichen Wandels in den betroffenen Regionen angemessen abzubilden. Dazu gehören die unterschiedlichen politischen Rahmenbedingungen und Problemlösungsstrategien im Zuge des Strukturwandels (etwa „Sozialverträglichkeit“ vs. „Kahlschlag“) ebenso wie die Frage, in welchen Formen und auf welchen Ebenen die industrielle Vergangenheit in der Gegenwart präsent ist – vom institutionalisierten Kulturerbe bis zum unbewältigten kulturellen Trauma.

Zur Beantwortung dieser Fragen wird das Projekt dezidiert eine Perspektive „von unten“ einnehmen und untersuchen, wie regional und vor allem lokal die Verflechtung von industrieller Vergangenheit und post-industrieller Gegenwart Geschichtsbewusstsein und Weltbilder „vor Ort“ prägt. Neben klassischen historischen Zugängen wird das Projekt dabei einen Oral-History-Ansatz verfolgen, um sich den Erfahrungsebenen und Interpretationsräumen der vom Strukturwandel betroffenen gesellschaftlichen Gruppen zu nähern. Gerade in komparativer Perspektive wird es darum gehen, nicht nur wissenschaftliche Vergleiche zu ziehen, sondern die post-industriellen Communities in sechs Ländern gleichsam ins Gespräch miteinander zu bringen. Dazu zählen Regionen in Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, Kanada und den USA.

Die beteiligten Wissenschaftler widmen sich in mehreren Arbeitsgruppen über sechs Jahre verteilt folgenden Schwerpunkthemen: (1) The Politics of Industrial Closure, (2) Gender, Family and Deindustrialization, (3) „Race“ and the Populist Politics of Deindustrialization, (4) The Politics of Industrial Heritage, (5) Deindustrialization and the Environment sowie (6) Working-Class Expression. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden in jährlichen Tagungen vorgestellt und in einer projekteigenen Buchserie publiziert. Zudem sind jährliche Summer Schools für Studierende und Doktorandinnen und Doktoranden vorgesehen sowie ein Artists-in-Residence-Programm, um eine künstlerische Beschäftigung mit dem Thema in den verschiedenen Regionen zu unterstützen. Das Gesamtprojekt mündet in eine abschließende, dezentral kuratierte Ausstellung, die die diversen Perspektiven der Vergleichsregionen zusammenfassen und aufeinander beziehen soll und in allen sechs Ländern gezeigt werden wird.

Das Projekt wurde unter Federführung von Prof. Dr. Steven High (Concordia University, Montreal, Kanada) beim kanadischen Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC) beantragt und im Frühjahr 2020 bewilligt. Es umfasst eine Laufzeit von April 2020 bis März 2027. Seitens des DBM ist das montan.dok mit Dr. Michael Farrenkopf und Dr. Stefan Moitra in das Projekt eingebunden. Darüber hinaus lassen sich auf deutscher Seite insbesondere bereits seit längerem bestehende intensive Forschungskontakte innerhalb des Ruhrgebiets wirksam in den Forschungsverbund einbringen, indem beispielsweise auch die Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets, Bochum, sowie das LWL-Industriemuseum | Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Dortmund, und die Stiftung Ruhr Museum, Essen, in das Vorhaben eingebunden sind.

Schließlich wird unter anderem die Frage behandelt, inwiefern für etwaige Interviews und Archivrecherchen bereits einschlägige internationale Ressourcen bereitstehen. Dies betrifft auch die Oral-History-Quellen, die in den letzten Jahren in dem Gemeinschaftsvorhaben von Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets und montan.dok unter dem Titel „Digitaler Gedächtnisspeicher: Menschen im Bergbau“ entstanden sind und in Auswahl über die Website www.menschen-im-bergbau.de genutzt werden können. Neben der Arbeit mit bestehenden Interviewsammlungen lassen sich gegebenenfalls auch weitere Drittmittel beantragen, um zu den verschiedenen Themenschwerpunkten entsprechende empirische Daten erheben zu können. Darüber hinaus ist vorgesehen, im Jahr 2022 eine internationale Tagung des Verbundes im Ruhrgebiet durchzuführen.

Weitere Informationen finden Sie in dem ersten Jahresbericht des internationalen Verbundvorhabens (2020|2021).

Project informations

Projektträger
Beteiligte forschende Bereiche
Laufzeit

01.04.2020 bis 31.03.2027

Typ des Vorhabens

Forschungs- und Ausstellungsprojekt

  • Wiebke Büsch/Michael Farrenkopf/Regina Göschl (Red.): GRAS DRÜBER … Bergbau und Umwelt im deutsch-deutschen Vergleich. Eine Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum von Mai 2022 bis Januar 2023, hrsg. v. Montanhistorischen Dokumentationszentrum, Bochum 2020.
  • Michael Farrenkopf: From mining region to industrial heritage – 50 years of documentation, protection, and management in the Ruhr Area, Germany, in: Norman Pohl/Michael Farrenkopf/Friederike Hansell (Hrsg.): Lebenswerk Welterbe. Aspekte von Industriekultur und Industriearchäologie, von Wissenschafts- und Technikgeschichte. Festschrift für Helmuth Albrecht zum 65. Geburtstag, Berlin/Diepholz 2020, S. 193-204.
  • Stefan Moitra: Deindustrialization and the Politics of our time – montan.dok an neuem internationalen Forschungsverbund beteiligt, in: montan.dok-news 6, 2020, Heft 2, S. 3.
  • Stefan Moitra/Katarzyna Nogueira (Hrsg.): BIOS 2-2018 | (Post-)Industrial Memories. Oral History and Structural Change, Leverkusen 2020 (= Bios. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 31, 2018, Heft 2).
  • Katarzyna Nogueira: Zwischen Authentizität und Inszenierung: Oral History und die Zeitzeugenschaft des Ruhrbergbaus, in: Michael Farrenkopf/Torsten Meyer (Hrsg.): Authentizität und industriekulturelles Erbe. Zugänge und Beispiele, Berlin/Boston 2020 (= Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 238; = Schriften des Montanhistorischen Dokumentationszentrums, Nr. 39), S. 171-191.