Silbermünzen waren im Mittelalter die universale Basis des Handels. Sie verbanden die großen Reiche Harun al Raschids und Karls des Großen miteinander und schlugen so eine Brücke zwischen Orient und Okzident. Ein Archäologenteam aus Frankreich erforschte die Hintergründe der Silberverhüttung im Mittelalter. „Silberpfade“, eine Sonderausstellung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum, stellt ihre Arbeitsergebnisse vor und zeigt, wie die Menschen des Mittelalters überhaupt an Silber und somit an eine verbindende Währung gelangt sind.
Über die Methoden und den Ablauf der Silberverhüttung im fränkischen Reich war bislang wenig bekannt. An den Silberbergwerken von Melle ging ein Forschungsteam des Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) unter Leitung von Dr. Florian Téreygeol mit Hilfe der experimentellen Archäologie dieser Frage nach. Auf einem riesigen Experimentierfeld führten die Wissenschaftler Versuche zur karolingischen Silberverhüttung durch. Sie suchten auch im Jemen, am mittelalterlichen Bergwerk Ar RadRad, nach Spuren des mittelalterlichen Silberbergbaus.
Im Zentrum: ein Oktogon-Zelt
Unübersehbar hängt im Zentrum der Ausstellung ein Oktogon-Zelt aus Seide in den Farben Rot und Smaragdgrün mit vier Öffnungen, die den vier Elementen Wasser, Feuer, Erde, Luft zugeordnet sind. Von diesem Oktogon gehen strahlenförmig Linien aus und breiten sich im gesamten Ausstellungsraum aus. Um dieses Zentrum bilden acht Vitrinen einen Kreis – in ihnen werden abassidische und karolingische Münzen gezeigt, entsprechend ihren jeweiligen Fundorten in Europa. Im Inneren des Oktogons bilden die zusammenlaufenden Linien eine achtzackige Windrose.
Dies soll daran erinnern, dass schon die Griechen in der Nähe ihrer Häfen ein „Haus des Windes“ in der Form eines Oktogons bauten, ausgerichtet nach der aufgehenden Sonne, dem Osten. Dieser Grundriss findet sich auch in der Architektur des Felsendoms in Jerusalem und im zentralen Bauwerk Karls des Großen, dem Aachener Dom wieder. Diese Ausrichtung verbindet alle abrahamitischen Religionen. An der östlichen Himmelsrichtung, dem Orient, „orientierten“ sich die Menschen schon im Mittelalter.
Zwei Reiche, zwei Herrscher
Vorgestellt werden in der Ausstellung die beiden mächtigen Herrscher ihrer Zeit, Harun ar Raschid (Abassidenreich) und Karl der Große (Frankenreich). Auf einem konvexen Ausschnitt der Erdscheibe wird die Ausdehnung der Reiche sowie der Handelswege plastisch sichtbar gemacht.
Im Themenfeld „Geologie“ werden die beiden mittelalterlichen Abbaugebiete in Melle (Frankreich) und Jabali (Jemen) präsentiert und verglichen. In der Ausstellung wird der gesamte Produktionsprozess dargestellt vom Gewinnen des Erzes bis zur Prägung der Silbermünzen.
Moderne Methoden der Archäologie
Die „Mineralogie“ präsentiert im Wesentlichen die Arbeit der französischen Wissenschaftler um Dr. Florian Téreygeol, die anhand von Experimenten die Produktion und Verarbeitung des Silbers in Melle mit mittelalterlichen Methoden nachempfanden und so verständlich machen. Wie zum Beispiel muss ein Schmelzofen beschaffen sein, mit dem sich Silber aus dem Bleiglanz lösen lässt? Welche Sorte von Holzkohle war hierfür erforderlich und wie stellte man diese her? Wie gelang es im Mittelalter, mit einem Blasebalg ein Feuer mehrere Stunden lang konstant auf über 900°C zu erhitzen? Solche Fragen beantworteten die Wissenschaftler mit ihren Experimenten. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden in dieser Sonderausstellung gezeigt.
Ähnlichkeiten und Verbindungen
Den Besuchern erschließt sich anschaulich, wie hart und ressourcenverschlingend die Arbeit in den Silberbergwerken war. Aus einer Tonne Erz konnten nur hundert Gramm Silber gewonnen werden – die schwersten Arbeiten mussten meist Sklaven und Kriegsgefangene leisten. Zum anderen wird der Blick auf die frühen Verflechtungen und Handelswege gelenkt, als Orient und Okzident zwar weit voneinander entfernt lagen, aber dennoch nicht von unüberbrückbaren Gegensätzen geprägt waren.
Schlussendlich wird ein Bogen geschlagen zur heutigen Situation in den mittelalterlichen Bergbaugebieten: Während in Jabali heute Zink gesucht und abgebaut wird, bereitet man in Melle aktuell die Geschichte des Bergbaus touristisch auf.